Portraitfotografie mit 85mm Objektiv meistern
In diesem Beitrag erfährst du, wie ich mit dem 85mm Objektiv in der Portraitfotografie umgehe. Eine Brennweite, die ich mal als langweilig abgetan, aber mit zunehmender Erfahrung zu lieben gelernt habe.
Ohne ein lichtstarkes 85mm Objektiv, möchte ich mir meine zukünftigen Fotoshootings nicht mehr vorstellen.
Mit diesem Beitrag habe ich praktisch eine Anleitung zum nachmachen meiner Arbeitsweise erstellt, die auch die Vor- und Nachteile der 85mm Festbrennweite erklärt. Vom Close-Up bis hin zum Ganzkörper Porträt.
Wenn ich in dieser Anleitung von 85mm spreche, beziehe ich die Brennweite auf das Vollformat. Eine gleichwertige Bildwirkung, kann mit entsprechend gleichwertigen Brennweiten auch an kleineren Sensoren erreicht werden.
Inhaltsverzeichnis
Ist ein 85mm Objektiv das universellste Portrait Objektiv?
Das 85mm Objektiv hat den Ruf, die universellste Brennweite für die Porträtfotografie zu sein. Denn es ist trotz Plastizität, also einer räumlichen Wirkung, frei von Verzerrungen. Eine längere Brennweite, lässt die Bilder gern “flach” wirken. Das heißt der Abstand zweischen Ohren und Nasenspitze wird kürzer.
Das soll aber nicht heißen, dass längere Brennweiten nicht für Portraits eingesetzt werden können. Es kommt natürlich darauf an, wie stark wir einen Protagonisten von der Umgebung isolieren möchten und wie groß unser Abstand sein muss, um eine gewisse Perspektive zu erzielen.
Wenn ich Outdoor arbeite, komprimiert ein 85mm Objektiv vielleicht nicht genug. Da wünsche ich mir gelegentlich eine längere Brennweite, um den perspektivischen Hintergrundanteil zu reduzieren. Möchte also das Bild weiter stauchen. Denn Zweck erfüllt meist eine Brennweite zwischen 135mm und 150mm bei mir.
Kopfporträt bzw. Headshot
Beim Kopfporträt ist mir wichtig, dass möglichst beide Augen in der Schärfe liegen. Gerne provoziere ich Highlights im Hintergrund. Das rückt den Protagonisten noch weiter in den Vordergrund, wenn wir nicht mit Verläufen im Vorder- bzw. Hintergrund arbeiten können.
Bei leichtem Versatz der Augen, also eins weiter vorne als das andere, blende ich meist auf F/3.5 ab.
Ich bin ein Verfechter des 85mm Objektivs bei Kopfportraits. Aber gelegentlich ist ein 135er vorteilhafter. Meist dann, wenn eine Person ein recht spitzes Gesicht hat. Das kannst du ja auch in den GIFs oben gut erkennen.
Schulterporträt
Damit die Aufnahme möglichst natürlich wirkt, sollten beide Schulterpartien auf dem Bild zu erkennen aber mindestens zu erahnen sein. Ich mag es gerne, wenn eine Schulterpartie in die Unschärfe verläuft, was natürlich Geschmackssache ist. Du darfst auch gerne abblenden, falls du mehr Tiefenschärfe bevorzugst oder einen besonders schönen Hintergrund hast, den du einbeziehen möchtest.
Beim folgenden Bild bin ich dichter am Gesicht als bei dem Bild davor. Deshalb habe ich auf F/3.5 abgeblendet, um beide Augen in voller Schärfe mitzunehmen. Durch die Nähe zum Motiv, ist das Bokeh noch sehr angenehm.
Eigentlich sollte Anni frontal, also mit beiden Augen in der Schärfeebene bleiben. Doch so sind wir irgendwann abgedriftet, sodass folgendes Bild entstanden ist:
Seitliches Schulterporträt
Wenn nur eine Schulter und kein Vordergrund sichtbar ist, kann die Person wie nachträglich ins Bild eingefügt aussehen. In so einem Fall können wir einen “Störer” im Vordergrund verwenden. Dadurch gewinnt das Bild wieder an Räumlichkeit. Auch leicht abgeblendet, damit beide Augen in der Schräfeebene liegen:
Auf die Aufnahmehöhe achten
Eine leicht höhere Perspektive erlaubt es uns, den Hintergrund weiter einzugrenzen. Zudem fördert es den Lichteinfall aufs Gesicht, da unser Protagonist ja nach oben schaut, wo das Licht für gewöhnlich her kommt. 😉
Ein höherer Aufnahmewinkel signalisiert implizit etwas wohlgesonnenes:
Wogegen eine tiefere Aufnahmeposition etwas majestätischer wirken kann:
Halbkörper und Drittelkörper mit Bokeh Panorama Technik
Diese Form von Portraits gehört zu meinen absoluten Favoriten. Ich mag daran, dass das Gesicht noch die entscheidende Rolle spielt, jedoch auch Rückschlüsse auf den Körpertyp möglich sind. Auch ist der Abstand optimal, um die Panorama-Technik anzuwenden.
Folgende Bilder sind mit der Brenizer Methode bzw. Bokeh Panorama Technik fotografiert. Dafür habe ich mein Sigma 85mm 1.4 ART Objektiv genutzt und 5 Bilder bei F/1.4 gemacht. Anschließend habe ich die Bilder in Lightroom mit wenigen Klicks zusammengefügt.
Ich nutze die Panorama-Technik, weil ich so noch näher an meine Motive herankomme. Umso näher ich am Motiv bin, desto mehr Plastizität erhalte ich. Zudem wird der Vorder- sowie Hintergrund butterweich. Ich liebe es!
Nächstes Bild ist ein ebenfalls ein Panorama aus 5 Bildern mit 85mm bei F/1.4.
Und hier noch das Ausgangsbild:
Und zum Vergleich noch ein Einzelbild mit dem Sigma 85mm 1.4 ART* bei F/1.4:
Und hier noch ein Beispiel mit 135mm, aus meinem Archiv:
Halbkörper
Bei Halbkörper Bildern fotografiere ich die Leute meist irgendwo angelehnt. Hier achte ich darauf, dass der Hintergrund durch Linien und Lichtverhältnisse den Protagonisten weiter in den Vordergrund rücken bzw. die Stimmung des abgebildeten unterstreichen. Manchmal soll der Hintergrund aber auch einfach nur farblich zur Kleidung passen.
Halbkörper Fotos fotografiere ich auch sehr gerne mit einem 50mm bzw. 58mm Objektiv, denn da wirken die Bilder schon bei einem Einzelbild recht dreidimensional. Das ist das gleiche Prinzip wie weiter oben erklärt. Ich muss mich mit einem 85mm Objektiv halt weiter vom Motiv entfernen und dadurch verliere ich an möglicher Plastizität. Dazu gleich mehr, denn es gibt ein Workaround, mit dem das 85mm Objektiv sogar besser abliefert. Nächstes Bild geht in etwa noch als Halbkörper durch:
Wie ich oben schon erwähnt habe, sind Halbkörper Fotos mit einem 50mm bzw. 58mm Objektiv generell plastischer. Das gilt natürlich nur, wenn wir keine Bokeh-Panoramen machen; ansonsten sind Halbkörperfotos mit einem 85mm Objektiv sogar besser. Das folgende Bild ist jetzt kein fotografisches Highlight von mir und wurde nur zu Testzwecken gemacht. Es zeigt jedoch ganz gut, was mit einem 85mm Objektiv noch an Plastizität reingebracht werden kann. Auch hier habe ich die Bokeh-Panorama-Technik verwendet:
Halbkörper mit 50mm ~ 58mm Objektiv
Falls dir ein Panorama zu mühselig ist, hast du hier noch zwei Beispiele von mir, von meinem Voigtländer 58mm SLII zum Vergleich. Wie du vielleicht erkennst, ist der Hintergrund bei 50mm bzw. 58mm noch mal deutlich präsenter und weniger freigestellt. Du könntest jetzt denken, warum ich nicht einfach bei F/1.4 fotografiert habe. Nun, es ist eine Eigenart einiger Objektive, sogar noch schöneres Bokeh zu machen, wenn man es etwas abblendet. Das ist ganz besonders beim Voigtländer Objektiv der Fall:
Falls du einen kleineren Sensor als Vollformat hast und dich nicht an die Bokeh Panorama-Technik heran traust, musst du eine äquivalente Brennweite zum 50mm bzw. 58mm nehmen.
So wäre bei APS-C Sensoren ein 35mm Objektiv* die richtige Wahl oder bei mFT / Olympus ein 25mm Objektiv*.
Bearbeitung der Bilder
Falls dir die Bearbeitung meiner Bilder gefällt, verweise ich in Eigenwerbung auf meine Lichtrebell Preset Collection. Mit diesen Lightroom und Photoshop Presets, erhältst du den gleichen Farblook, mit nur einem Klick. Diese Presets sind nicht, wie so viele andere Presets, einfach dahin geklatscht. Es steckt viel Arbeit, Wissen und tausende Bilder an Optimierung darin. Mit diesen Presets sind alle Bilder auf diesem Blog entstanden. Sie sind mit jeder Version von Lightroom und Photoshop sowie jedem Kamerahersteller kompatibel.
Sitzend Ganzkörper
Ganzkörperfotos fotografiere ich mit dem 85er meist im Hochkant Format, denn so kann ich die Person formatfüllend aus einer näheren Distanz fotografieren und bekomme dadurch weniger Tiefenschärfe und mehr Plastizität ins Bild, weil ich halt näher am Motiv bin. Ich find’ Ganzkörper Fotos generell am schwierigsten abzulichten, denn der Hintergrundanteil ist höher, als auch die Körperhaltung des Protagonisten in ihrer Gänze sichtbar.
Deshalb nutze ich gerne sitzende Posen. Dadurch kann ich einerseits den ganzen Körper zeigen und andererseits ablenkende Bildelemente eindämmen bzw. Arme und Beine besser verteilen.
Da mir die plastische Bildwirkung wichtig ist, greife ich auch hier oft auf die Bokeh Panorama-Technik(Link zu meinem Tutorial) zurück. Das folgende Bild besteht aus acht Einzelbildern, die ich nachträglich mit Lightroom zusammengenäht habe. Für die Aufnahme des Panoramas richte ich meine Ausgangsposition nach dem Zentrum ihres Körpers aus, also ihrem Rumpf/Beckenbereich. So entstehen anschließend keine Verzerrungen:
Und hier noch ein Einzelbild mit dem 85mm Objektiv bei F/1.4:
Close-Ups
Ein Close-Up ist ein Bild des Gesichts oder zumindest einer Gesichtspartie. Meist wird etwas Platz über den Augenbrauen gelassen und der Hals ist schon fast nicht mehr Bestandteil des Bildes:
Close-Ups gehören weniger zur Porträtfotografie, sondern sind eher im Beautybereich vertreten. So hätte ich diese Kategorie eigentlich auch außen vor lassen können. Dennoch kann es ja sein, dass wir ein Close-Up in unserer Fotostrecke haben möchten. Und dazu gibt es etwas Wichtiges zu beachten:
Der maximale Abbildungsmaßstab eines 85mm arbeitet hier gegen uns, der i.d.R. bei ca. 1:8.50 liegt. Das ist konstruktionsbedingt und wird nur beim Tamron 85mm 1.8 VC etwas besser, das noch einen Abbildungsmaßstab von 1:7.20 erreicht. Das ist nicht nur beim Vollformat so, sondern eine Eigenschaft, die Systemübergreifend gegeben ist. Wir können also nicht so nah heran, wie auf obigem Bild und müssten ggf. das Bild beschneiden.
Für Close-Ups sind daher 135mm Objektive bzw. äquivalente Brennweiten, mit einem Abbildungsmaßstab von ca. 1:45, die bessere Wahl. Beim 85mm Objektiv bzw. Äquivalenz, müssen wir ggf. das Bild an den Rändern beschneiden.
Beim gleichen Motivabstand mit einem APS-C Sensor, hätten wir gegenüber dem Vollformat, einen engeren Beschnitt.
Beitrags Empfehlung zum Umgang mit Menschen vor deiner Kamera
Schau dir auch meinen Portraitfotografie Tipps und Tricks Beitrag an. Dort geht’s hauptsächlich um den Umgang mit Menschen vor deiner Kamera. Und auch wie du für ein entspanntes Fotoshooting sorgst:
Ich hoffe du konntest dieser Anleitung etwas neues für dich entnehmen und freue mich, wenn du es teilst und vielleicht sogar ein Lebenszeichen im Kommentarbereich hinterlässt.
Bleib großartig, fotografiere großartig,
Barış
10 Kommentare
Da hast du dir ja mal wieder Mühe gegeben :-*
Wie immer Olli. Qualität vor Quantiät! :-*
Hallo Barış,
wie immer wunderbar ausdrucksstarke Bilder!
Gruß
Ralph
Oh, wie wunderbar dein Kompliment. Vielen Dank Ralph!
Sehr tolle Seite – Kompliment 🙂
Hi Eva, Dankeschön! 🙂
Cool! Sehr lehrreich und echt bereichernd. Und die Bilder sind eh grossartig! Danke dir!
Moin Daniel, danke für dein Feedback! 🙂
sehr interessant,liebe Genauigkeit und InDieTiefegehen! Der Mann versteht was! 🙂
Vielen Dank für diese sehr spannende Lektüre! Ich bin per Zufall auf diesen Artikel gestossen. Ich habe mir das Nikkor 85mm 1.2 zugelegt und bin total happy damit. Egal ob Fotografieren oder Filmen, alles kommt perfekt daher. Allerdings kämpfe ich auch etwas mit der Distanz zum “Objekt”. Du hast hier diverse gute Möglichkeiten aufgezeigt, wie man es gestallten kann.